Dass
sich Wolfgang Niedecken im Laufe seiner langjährigen Karriere in
zahlreichen Liedern mit seiner Heimatstadt Köln beschäftigt hat, darf
als bekannt vorausgesetzt werden. Dass mit
„Niedecken Köln“ nun erstmals ein Songzyklus vorliegt, der
sich zu einem sehr persönlichen Porträt der Domstadt zusammenfügt, mag
zu der Annahme verleiten, dass dieses gemeinsam mit der WDR Big Band
aufgenommene Album von langer Hand geplant war. Tatsächlich ist es aber
eher dem Zufall zu verdanken. Wolfgang Niedecken gastierte vor gut einem
Jahr bei einer Veranstaltung zum Thema Olympiabewerbung Rhein/ Ruhr, bei
der anschließend die WDR Big Band auftreten sollte. Während sich
Wolfgang Niedeckens Performance wegen technischer Probleme verzögerte,
hatte die Big Band schon ihre Plätze eingenommen und begleitete Niedecken
spontan bei zwei Songs, darunter mit „Für ’ne Moment“ auch jener
Titel, der nun das Album „Niedecken Köln“ eröffnet. Anschließend
kam Lucas Schmid, der Produzent der WDR Big Band, auf Wolfgang Niedecken
zu und fragte ihn, ob er nicht mal ein Album mit der Big Band aufnehmen
wolle. Was fehlte, war ein passendes Konzept.
Monate später kam Wolfgang Niedecken den Gedanken, dass es doch
schön wäre, ein Album aufzunehmen, bei dem es um ein Köln der etwas
anderen Art geht, einmal nicht „das
vom Karneval belastete, rührselige Klischee, sondern Köln thematisch so
zu umkreisen, dass auch Heinrich Böll daran Spaß gehabt hätte“.
Im Laufe der Jahre haben sich in Niedeckens Fundus etliche Songs
angesammelt, bei denen Köln, seine Geschichte und seine Gegenwart, seine
Straßen und die Menschen, die dort leben, im Zentrum des Geschehens
stehen. Gemeinsam mit dem BAP-Gitarristen Helmut Krumminga spielte
Wolfgang Niedecken zunächst mal alle in Frage kommenden Songs auf zwei
akustischen Gitarren ein. Mike Herting, der mit den Arrangements für die
WDR Big Band betraut wurde, nahm diese Versionen als Skizzen für seine
beeindruckende Vorgehensweise, die Songs losgelöst von ihrer ursprünglichen
Produktion für einen völlig neuen und ungewohnten Klangkörper
auszustatten. Der vielseitige Jazzpianist (Headband, Härte 10) und
Arrangeur Herting, der auch als Filmmusikkomponist reüssierte, arbeitet
schon seit einigen Jahren mit der WDR Big Band zusammen, unter anderem war
er als Arrangeur und Musiker bei Projekten mit Charlie Mariano und
indischen Musikern, Klaus, dem Geiger und der Musikshow „Kölsch am
Broadway“ beteiligt. Für „Niedecken Köln“ bekam Herting freie Hand
für die neuen Arrangements, hier gewinnt er beim „Erwandern der Songs“ (Mike Herting) selbst altvertrauten
Liedern ganz neue Seiten ab.
Für „Niedecken Köln“ darf man sich getrost von allen musikalischen
Klischees trennen, die man allgemein mit Big Band Musik verbindet. Vom
cremig orchestral gestalteten Opener „Für ’ne Moment“ über das
furios durch Jazzgefilde swingende „Met Wolke schwaade“, bei dem auch
das James-Bond-Motiv zitiert wird, bis zum ausgefeilten Twelve-Bar-Blues
„Zwei Päädsköpp ahm Nümaat“, bei dessen mitreißendem Südstaaten-Flair
Bo Diddley Pate zu stehen scheint, hält das Album immer wieder
musikalische Überraschungen parat. Letztgenannter Song ist übrigens ein
bis dato unveröffentlichter Song, bei dem Wolfgang Niedecken einmal mehr
eine Kölsche Legende vertont hat. Zu den neueren Songs zählen auch
„Unger Krahnebäume“, bei dem die Big Band zeigt, zu welch furioser
instrumentaler Brillanz sie fähig ist, sowie die in sanfte Bläsersätze
gehüllte Ballade „Wie schön dat wöhr“, die auch als
Benefiz-Download veröffentlicht wird. Damit unterstützt Wolfgang
Niedecken die Aktion „Gemeinsam für Afrika“, für die sich über
zwanzig Hilfsorganisationen zusammengeschlossen haben und für die der Kölner
Musiker in diesem Jahr als Botschafter tätig ist.
Zu den großen Errungenschaften des 13 Songs umfassenden Albums
„Niedecken Köln“ zählen die Gelassenheit und die Souveränität, mit
der die WDR Big Band im Zusammenspiel mit Wolfgang Niedecken agiert. Die lässige
Art und Weise, mit der bei „Nix wie bessher“ karibische Rhythmen aus
fast klassisch anmutenden Motiven erwachsen, wie kokett sich die Big Band
in eine Brass Band verwandelt und die „Queen vun dä Ihrestross“ nach
New Orleans verfrachtet, wie „Amerika“ dekonstruiert wurde und sich zu
einer jazzbetonten Großstadtsymphonie zusammenfügt, die einen kritischen
Blick auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten erlaubt – all das
verdient nicht nur Anerkennung, es transportiert die Songs gekonnt auf ein
unverbrauchtes Terrain, auf dem auch Platz ist für ein Saxophonsolo (in
dem wunderbar elegischen „Chippendale Desch“), eine Verbeugung vor den
Beatles der Sgt. Pepper - Ära („Hück ess sing Band in der Stadt“)
und eine gepfefferte Neuauflage des Klassikers „Arsch huh, Zäng
ussenander“. Das grandiose Finale: „Schluss, aus, okay!“ wartet
schließlich mit einer Orgel auf, die den Kölner Dom versinnbildlichen
soll. Das Booklet ist mit einer Auswahl von Photographien ausgestattet,
die die Songs ebenso erklärend ergänzen wie die klugen Linernotes von
Oliver Kobold.
2004 ist für Wolfgang Niedecken ein Jahr höchst unterschiedlicher
Engagements. Ein Jahr, in dem sich die enorme Vielfalt des Kölner
Musikers und Künstlers in all ihren unterschiedlichen Facetten zeigt. Zu
Anfang des Jahres erschien mit „Sonx“ das Album in der kleinsten
BAP-Besetzung seit Jahren, das, um die thematische Trilogie Glaube, Liebe
und Hoffnung kreisend, eine beherzte Rückkehr zum schnörkellosen
Rock’n’Roll markierte. Dass BAP mit dem Album im Gepäck zu einer großen
Deutschlandtournee aufbrachen, gehört selbstverständlich zum Ritual der
Kölner Rockinstitution. In diesen Tagen zeigt die Bonner Kunst- und
Ausstellungshalle unter dem Titel „Spuren“ eine Werkschau des
bildenden Künstlers Wolfgang Niedecken, der sich in seinen Collagen,
Bildern und Objekten als Sammler alltäglicher Gegenstände erweist, der
seine Fundstücke mit Malerei und Schriften verbindet und sie in einen
neuen Kontext setzt. Dies ist nur eine Form der Erinnerungsarbeit, die das
Schaffen von Wolfgang Niedecken kennzeichnet. In diesen Tagen erscheint
auch sein neues Buch: „Immer weiter – BAP-Logbücher 2000-2004“
(Kiepenheuer & Witsch), in dem er seine Erlebnisse als Musiker
pointiert dokumentiert hat. Mit „Niedecken Köln“ hat er mit der
berufenen Unterstützung der international hochkarätig besetzten WDR Big
Band seinem Werk ein sehr persönliches und musikalisch enorm liebevolles
Porträt seiner Heimatstadt hinzugefügt.
Die
Songs
mit "Song by
Song" - Erklärungen von W.N. zu den Songs des Albums!
Für ´ne
Moment
Met Wolke schwaade
Chippendale Desch
Wie schön dat wöhr
Zwei Päädskööp ahm Nümaat
Amerika
Nix wie bessher
Stadt em Niemandsland
Unger Krahnebäume
Arsch huh, Zäng ussenander
Hück ess sing Band en der Stadt
Queen vun dä Ihrestrooss
Schluss, Aus, Okay!
CD-extra
Part mit Sessionfotos und Tagebuch (zur Produktion des Albums)
Die Musiker:
Sheryl Hackett,
voc
Wolfgang Niedecken, voc, g
Helmut Krumminga, g
Ramesh Sotham, perc
Wolfgang Haffner, dr
WDR Big Band Köln
Leitung und Arrangement: Mike Herting
Live:
Alle
Live-Termine sind hier
zu finden!
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