14. Oktober 2007   -   Bochum, Jahrhunderthalle
RuhrTriennale

Fotos von ruhrtriennale.de

Ein Bericht von Ralf

Wolfgang Niedecken freute sich diebisch, selbst ein gestandener Musiker wie er erlebt solche Auftritte nicht alle Tage. „Die Songs spiele ich zuhause ständig, jetzt darf ich sie mal so performen, dass sie nicht nach Schülerband klingen“, so kündigte der BAP Frontmann einen bunten Liederabend voller Klassiker an, die ihn seit seiner Jugend begleiten. Ein Konzert von Wolfgang Niedecken und Freunden beschloss die Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle zu Bochum. Viele Menschen, vorwiegend vornehm gekleidete Schöngeister, die man bei BAP Konzerten eher selten antritt, waren reichlich erschienen. Mehr als 2000 Besucher füllten den architektonisch eindrucksvollen Bau in Bochum-Hamme bis in den hintersten Winkel. Zeit für eine musikalische Delikatesse. Der gut 50 köpfige stimmgewaltige St. Stephan Chor aus Köln läutete den Abend eindrucksvoll a-capella mir dem Biermann Klassiker vom „donnernden Leben“ ein. Dann erschienen die Hauptdarsteller. Niedecken war nicht allein gekommen, natürlich mit BAP Gitarrist Helmut Krumminga zu seiner Rechten, auch Geigerin Anne De Wolff war zugegen, ansonsten einige unbekannte Gesichter an den Instrumenten. Man mochte seinen Ohren kaum trauen, beinahe stilecht wie auf der Original „Let It Bleed“ Aufnahme der Rolling Stones intonierte Niedecken mit dem Chor die grosse Hymne „You Can´t Always Get What You Want“. Selbst gesanglich, und da ist der gute Wolfgang kein filigran, ohne ihm zu nahe treten zu wollen, mochte man ihm fast Höchstnoten verteilen. Der Bann war gebrochen, souverän mit diversen launigen Geschichten, die der 56 jährige humorvoll und sich selber gerne auf die Schippe nehmend dem Publikum unterbreitete, ging es durch diverse Klassiker der 60er und 70er Jahre. Weniges misslang, wie die doch eher zu brave Version von „Jumping Jack Flash“ (mehr Gitarre , Herr Krumminga), dafür absolut überzeugend der mehrstimmige Gesang bei Beatles Heuler „Nowhere Man“. Beinahe traumwandlerisch inzwischen die Interpretationen von diversen Dylan Klassikern, deren Texte der 56 jährige Sänger manchmal besser zu beherrschen scheint als seine eigenen. Hauptverantwortlich für das rundum fabelhafte Gelingen der Veranstaltung ging auf das Konto von Bandleader und Arrangeur Mike Herting, seines Zeichens langjähriger Freund und Weggefährte Niedeckens. Wer die Nonnenrolle der Schauspielerin Whoopie Goldberg in den „Sister Act“ Filmen als überdreht positiv Verrückte beim Einstudieren mit ihren Schützlingen in Erinnerung hat, kennt Mike Herting nicht. Dagegen ist Whoopi eine alte Oma, denn Herting zog alle Register. Neben gekonnter Bearbeitung von Piano und Orgel unterliess es der 53 jähriger Arrangeur keinen Augenblick, sein Ensemble mit vollstem Körpereinsatz anzufeuern. Nach Cohen Interpretation von „Chelsea Hotel No.2“ kam schliesslich noch eine 13 Personen umfassende Bläsertruppe hinzu, die Herting wie ein Fan, der seine Mannschaft zum Sieg schreien musste, zu Höchstleistungen trieb. Das muntere Treiben wurde nur durch einen Vortrag des Ruhrtriennale Leiters Jürgen Flimm unterbrochen, der den legendären Böll Text „Strassen wie diese“ zum Besten gab. Weiter ging´s , einige BAP Hits im Big Band Sound, aber weniger jazzlastig als beim „Niedecken Köln“ Projekt vor 2 Jahren durften nicht fehlen. Optischer Highlight der Auftritt von Klaus von Wrochem, bekannter als „Klaus der Geiger“, legendäre Figur der Kölner Musikszene. Ein absolutes Unikat, jetzt weiss man, wie man sich den Vater von Peter Lustig aus der Kinderserie Löwenzahn vorzustellen hat. Mit einer farblich unmöglichen Kombination aus brauner Lederlatzhose und sensationell verwaschenem Karohemd bot der Endsechziger mit wirrem grauen Haar schon einen Kontrastpunkt zu den anderen Protagonisten, reihte sich aber musikalisch, soweit hörbar, gut ins Ensemble ein. Denn es gab einige Tonprobleme, unter der speziell Anne de Wolff bei Gesangs- und Geigeneinsätzen litt sowie zeitweilig matschig klingendes Schlagzeug. Doch das konnte die durchweg fröhliche Veranstaltung, bei der selbst die zurückhaltendsten Besucher fröhlich Beifall spendeten, nicht beeinflussen. Vollkommen unbeschwert, beinahe an die Jam Sessions ehemaliger Rockpalastveranstaltungen erinnernd, agierte die Band mit unbändiger Spielfreude. Hoffentlich nimmt Niedecken diese Stimmung in seine BAP Shows zukünftig auf, die trotz unglaublicher Länge zu oft nach dem gleichen Raster absolviert werden. Zurück aber nach Bochum, um kurz vor 22.00 Uhr endeten 165 kurzweilige Minuten eines unterhaltsamen Abends, bei dem musikalische Fehler diesmal komplett unter den Tisch fallen dürfen. Denn nach einer Warm Up Show durfte man kein eingespieltes Team erwarten. Wobei sich nach dem Abend die Frage stellt, ob sich manche Perfektionisten nicht schon zu Tode geprobt haben ...