Ein Bericht von Ralf Die Älteren musikalisch interessierten Ureinwohner Kölns erinnern sich vielleicht noch dunkel, als einstmals ein völlig unbekannter junger Mann ganz alleine in den späten Siebzigern mit seiner Wanderklampfe durch Südstadt-Kneipen wie Exil oder Chlodwigeck zog. Diese Auftritte, so erzählt es die Sage, sollen technisch alles andere als sensationell gewesen sein, im Gegenteil, aber irgendwie schienen sie wohl das gewisse Etwas zu haben. Vorstellungen dieser Art gehören schon lange der Vergangenheit des inzwischen prominenten Musikers an. Es handelt sich nämlich um Wolfgang Niedecken, Kopf und Sänger der Gruppe BAP. Jetzt kehrt der fast 56 jährige beinahe zu seinen Ursprüngen zurück. Auf seiner Lesereise zu Bob Dylan´s Chronicals Biographie, wo er Textpassagen des Meisters zum Besten gibt, streut Niedecken nebenbei einige musikalische Meisterwerke der kauzigen lebenden Legende mit Akustikgitarre bei. Für den BAP Sänger Wolfgang Niedecken eine Herzensangelegenheit, nicht nur, dass er vor über einem Jahrzehnt ein eingekölschtes Album mit Dylantexten veröffentlichte, unlängst erschien auch das von ihm besprochene Hörbuch der Biographie von His Bobness. In Tourneepausen seiner eigenen Band nutzt Wolfgang Niedecken die Gelegenheit, hauptsächlich an verwegenen Orten von Waltrop bis Dingolfing aus dem Buch Dylans interessante Textpassagen vorzutragen. So auch in der Oper in der Kölner Innenstadt, ein Ort wo Niedecken bislang noch nicht aufgetreten ist, wie er dem Publikum stolz verkündete. So geriet die mehr als 2 ½ stündige Leseveranstaltung zu einem unerwarteten musikalischen Feinschmeckerabend. Denn Niedecken ist nicht nur Kenner Bob Dylan´s Geschichte, sondern hat dessen Songs beinahe komplett aufgesogen. Der Mann, der häufig eher Spott wegen seines eher bescheidenen Gitarrenspiels erntete, strafte seine Kritiker lügen. Vollkommen souverän, als wenn Dylans Stücke seine eigenen wären, zelebrierte er 17 dessen Klassikern textsicher und mit Gitarre und Mundharmonika bewaffnet, beinahe atemberaubend. Hut ab, Herr Niedecken, der selbst mit Schwierigem wie „The Lonesome Death Of Hattie Carroll“ oder „Man In A Long Black Coat“ begeisterte. Klar, „Blowin´ In The Wand kann jeder, Niedecken brillierte stattdessen mit „Simple Twist Of Fate“. Nebenbei erzählte er pointiert, eindringlich, zurückhaltend, laut und leise, immer der jeweiligen Stimmung gerecht werdend ungemein angenehm mit seiner sympathischen Sprechstimme aus dem Dylan Buch. Auch die Zuhörer, die mit dem Inhalt bereits vertraut waren, hingen buchstäblich an den Lippen Niedeckens. So wurde der verzweifelte Rückzug Dylans ins Familienlebens Mitte der Sechziger, als dieser genug von der Rolle des musikalischen Wortführers einer ganzen Generation hatte, ungemein humorvoll vorgetragen. Ebenso das Szenario, als Dylan dem damals noch jungen Bono in einer betrunkenen Nacht unsicher zurückhaltend seine noch unveröffentlichten Texte präsentierte, während dieser sogleich zum Telefonhörer griff und den U2 Produzenten Daniel Lanois kontaktierte. Höhepunkt des Dramas der anschliessende nervenaufreibende Machtkampf zwischen Instinktmusiker Dylan und Soundtüftler Lanois, der das hochdekorierte „Oh Mercy“ Album produzierte, aus dem Niedecken die Songs „Where Teardrops Fall“ und „Man In A Long Black Coat“ eindrucksvoll präsentierte. Die zurückhaltende Vorstellung Wolfgang Niedeckens, der lediglich zum Ende des Programms in kurzen Worten seinen Zugang zu Dylan in kurzen Worten beschrieb, wirkte sehr angenehm und wurde von dem fachkundigen Publikum minutenlang gefeiert. Dieser eigentlich im Vorfeld eher unspektakulär eingeschätzte Leseabend mit ein paar musikalischen Vorträgen überraschte, zeigte vollkommen unerwartet einen souveränen Vollblutmusiker, der mit der gleichen Brillanz auch bei den Stücken seiner eigenen Combo mehr in den Vordergrund rücken sollte. |